29.08.2020
Über den Wolf nur Gutes
Weil die Bevölkerung noch immer sehr wenig über das Verhalten von Wölfen wisse, wolle er Erklärungen abgeben, sagte Andreas Moser im Intro zu seiner Sendung «Netz Natur» vom Donnerstagabend. Wer das Zielpublikum dieser Erklärungen ist, wird schon nach den ersten Bildern klar. Im Stile eines Tele-Kolleg-Beitrags aus den Siebzigerjahren lässt Naturlehrer Andreas Moser ausgewählte Stimmen zu Wort kommen, die seine Thesen stützen. Die aufgeklärten Städter finden die Präsenz des Wolfs ganz toll, ganz anders, als die tumben Bergbewohner mit ihren Vorbehalten gegenüber Grossraubtieren. Die folgende Aufklärung ähnelt stark der Geschichte mit dem Bienlein und dem Blümchen, die ganz früher herhalten musste, um die Sache zwischen Männlein und Weiblein zu erklären. Bei Andreas Moser sieht das dann so aus: in schnellen Schnitten ein paar Bilder von gerissenen Schafen. Kein Problem natürlich. Das sind gewissermassen vernachlässigbare Ausrutscher, ein atypisches Verhalten des Wolfs, der sonst ganz anders ist. Es folgen Szenen, bei denen die Filmemacher von den Walt-Disney-Studios vor Neid erblassen. Dem italienischen Tierfilmer Stefano Bogliatto gelingen spektakuläre Aufnahmen von einem ruhenden Wolf und einer Gämse im selben Bildausschnitt. Aber in seiner Mission des Fernsehpredigers kann es Andreas Moser nicht lassen, die einmaligen Bilder mit völlig romantisierenden Kommentaren vom träumenden Wolf und von der Gämse, die sich an die Gegenwart des Wolfs gewöhnt hat, zu entwerten. Vor so viel Harmlosigkeit möchte man den Wolf sofort als Kuscheltier in die Arme nehmen. Spätestens als Moser die Szene, in der ein desinteressierter Wolf neben einer Schafherde davonzieht, mit der Angst des Wolfs vor dem Schäfer kommentiert: «Er zieht den Schwanz ein, ein Zeichen, dass er Schiss hat», wird endgültig klar, was die mosersche Aufklärung bezweckt. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sollen von der Gutmütigkeit
des Wolfs überzeugt werden. Dazu beraubt Moser den Wolf von jeder Wildheit. Zurück bleibt ein niedliches Tierchen, das nichts und niemanden bedroht. So viel Harmlosigkeit im Zusammenhang mit frei lebenden Raubtieren ist selten. Moser macht sich sogar lustig über eine Frau, die sich vor drei ausgewachsenen Wölfen fürchtet. Sie filmt die Wölfe mit dem Handy, wie sie völlig unbeeindruckt am helllichten Tag durchs Siedlungsgebiet streichen.
Diese verharmlosende Sicht der Dinge steht im krassen Gegensatz zum offenen Brief von rund drei Dutzend Bäuerinnen aus der Surselva an die Adresse von Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga. Darin legen sie schonungslos ihre Probleme mit der Wolfspräsenz dar. Es ist ein dramatischer Hilfsappell. Denn es geht mittlerweile um die Existenz einer kleinbäuerlichen Landwirtschaftsstruktur im Berggebiet und nicht um übersteigerte Emotionen. In der vergleichsweise kleinen Gegend zwischen Versam und dem Oberalppass leben mittlerweile drei Wolfsrudel. Das Zusammenleben gestaltet sich ganz und gar nicht so harmonisch, wie das Andreas Moser gerne vermitteln möchte.
Warum es mit der betroffenen Bevölkerung und dem Wolf nicht einfach so klappen will, kann Andreas Moser klar zuordnen. Dabei bekommen alle ihr Fett weg, die sich nicht vorbehaltlos hinter den Wolf stellen. Die inkompetenten Behörden und Politiker vorneweg, die AGRIDEA, die für den Herdenschutz zuständig ist, ein nicht professionelles Wildmonitoring, natürlich die Halter von Schafen und Vieh, die ihre Herden nicht wolfs-like behirten, die Jäger sowieso mit ihrem Beuteneid und überhaupt alle Rückständigen, die sich noch immer von den alten Vorurteilen gegenüber dem Wolf leiten lassen.
So einfach präsentiert sich die Problematik rund um die Wolfspräsenz aber bei Weitem nicht. Der Wolf ist zurück und wird sich nicht mehr verdrängen lassen. Er wird sich in den nächsten Jahren exponentiell vermehren. Schon rein zahlenmässig ist es nicht zu verhindern, dass sich die Wege von Wolf und Mensch noch stärker als heute queren werden. Klar, nicht jeder Wolf verhält sich auffällig. Aber es gibt Individuen, die ihren opportunistischen Anlagen nachleben und auf der Futtersuche lieber den einfachen Weg gehen und die bekannt blutigen Spuren hinterlassen. Bei allen Schutzmassnahmen, die sich in einem noch vernünftigen Aufwand realisieren lassen, werden sich Wolfsangriffe ohne bestandesregulierende Massnahmen nicht verhindern lassen. Aus diesem Grund bleibt nur der Weg über die Elimination der schadenstiftenden Tiere. Das hilft nicht zuletzt auch der Akzeptanz des Wolfs. Eine Einsicht, die übrigens Wolfsspezialisten aus dem Ausland seit Jahren vertreten. Entgegen den Äusserungen im Filmbeitrag gibt das revidierte Jagdgesetz den kantonalen Behörden dieses Mittel in die Hand. Die Hürden für einen Abschuss sind ohnehin noch hoch genug, dass eher selten ein Tier wirklich geschossen wird. Das Gesetz ist also kein Teufelswerk, es gibt nur den Rahmen vor für ein einigermassen akzeptables Nebeneinander von Mensch und Wolf.
Autor: Stefan Eggel
Veröffentlicht im Walliser Boten 29.08.2020
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